Kotheshof


28.09.2023 - 15:54:47

Die Bauern der Gegend hatten schon immer vermutet, dass das römische Kastell in der Mitte des Dorfes gestanden haben musste. Die Kirche, die Schule, Feuerwehrgebäude und Wohnhäuser waren einfach auf den Überresten der vergangenen Kultur errichtet worden. Soviel hatten sie schon zu Schulzeiten gelernt, dass Siedlungen, Schicht über Schicht gestapelt, wenig Rücksicht auf das Erbe der Vorfahren nahmen. Nicht Troja war hier untergegangen, nicht die Überreste Priamos, Hektors oder Kassandras waren hier unter dem Schutt der eingeäscherten Stadt langsam vermodert. Keine Heldenlieder, keine Theaterstücke rühmten die Taten der im Laufe der Jahrhunderte am Rheinufer vor Krefeld erschlagenen, erdolchten, verbluteten, aufgespießten Ubier, Batavier, Sugambrer oder Römer. Lediglich der fränkische Fürst Arpvar mit seinem Goldhelm sorgte für ein wenig Aufsehen, als er 1962 eher zufällig ausgebuddelt wurde. In und um Gellep herum waren schon viele Grabungen erfolgt. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, als das Dorf noch Gelb hieß, waren Gräberfelder und einzelne Gräber entdeckt und untersucht worden; auch war die Namensgleichheit mit dem römischen Gelbuda schon mehr als dreihundert Jahre kein Geheimnis mehr. Kurz bevor Jasper mit seiner Familie nach Heulesheim auf den Kotheshof zogen, wurden erstmals Beweise für die Präsenz des kaiserlichen römischen Reichs im knapp einen Kilometer entfernten Gellep gefunden.  
 
Die Kinder, die gemeinsam in die Schule an der Legionstraße gingen, ob nun in Gellep oder Stratum ansäßig, langweilte der kurze Ausflug zur Ausgrabungsstätte. Sie durften ja auch gar nicht runterklettern in das ausgeschachtete Erdloch. Zu sehen war aber so oder so nichts. Was die Archäologen dort mit ihren Studenten freigelegt hatten sah nicht anders aus als eine gewöhnliche Baugrube. So etwas hatten sie alle schon oft genug gesehen. Später, wieder im Unterricht, saßen sie vor großen bunten Schaubildern, die erklären sollten wie ein römisches Lager aufgebaut war, wie die Soldaten gekleidet waren und wie die verschiedenen Offizierstitel lauteten. Dazu noch einige Darstellungen, wie das Leben im römischen Reich ausgesehen haben sollte. Wagenrennen, Gladiatorenkämpfe, Tempel und Marktplätze.  
Ihr Lehrer erzählte so ausführlich von Kriegen und Eroberungen, dass er nicht merkte wie die Aufmerksamkeit der Klasse von Minute zu Minute abnahm.  

18.01.2023 - 21:50:44