Aus: Köpfchen - Ausblicke Einblicke Rückblicke  
Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck e.V.  
2/2002 - Juni 2002 - Seite 20 ff.  
 
Nach dem Krieg wieder auf die Burg - ein jeder, wie er kann  
 
Das Kriegsende  
 
„... Wir rufen Euch, Ihr Nerother, Ihr Jungen der d.j.1.11 und der Siegfriedjugend - wir rufen Euch, Ihr Gefährten der konfessionellen Bünde,und Euch, Ihr Kameraden aus der Arbeiterjugend, kämpft gemeinsam mituns gegen Hitler. Kameraden! 1933  
ging der Kampf gegen Hitler um die Freiheit der deutschen Jugend. Heute geht es um die Existenz unseres Volkes und den Wiederaufbau Deutschlands, und diesen Kampf müssen und werden wir gewinnen. In der Front des deutschen Volkes müssen wir Männer der deutschen Jugendbewegung mit in vorderster Reihe stehen. Wenigstens das eine Gute soll der Krieg gehabt haben: Bruch mit der Vergangenheit, Bruch mit der ewigen kriegslüsternen deutschen Reaktion. ...“  
 
Das konnte vernehmen, wer 1944 heimlicher Hörer von „Radio Freies Deutschland“ war. Ein Aufruf, der von Karl Oelbermann, Tusk und sechzig anderen Bündischen unterschrieben war und zusätzlich noch in der Londoner Zeitung „Freie Tribüne“ abgedruckt wurde.  
 
In einem Afrikanischen Internierungslager findet zur gleichen Zeit langes Bangen und Hoffen Erlösung. Karl Mohri wird zusammen mit Hannes Bolland und Hänschen Peters von den Engländern auf ein schwedisches Schiff gebracht, das nach Marseille fuhr. Hier werden sie von den Schweden gegen sechs Juden ausgetauscht. Mit den Deutschen gab es ein Abkommen, dass sie keine Waffe mehr anfassen dürfen. Der Krieg war also für sie vorbei. Und sie machten sich nach Hause, zur Burg Waldeck, oder was von ihr übriggeblieben ist.  
 
Ein paar Wochen später kommt der Krieg auch hierhin. Im Baybachtal stürzt im Januar 1945 ein kanadischer Bomber ab. Die Amerikaner brechen durch den Westwall und bauen am 10. März am anderen Ufer der Mosel die Angriffslinie Cochem-Koblenz auf. Von den Eifeler Höhen beschießen sie die Dörfer und Straßen im Vorderen Hunsrück. In Dorweiler kracht es in so manches Haus. Die Leute flüchten in die Schiefergruben und leben dort für ein paar Tage. Einige Soldaten werden verletzt oder getötet. Josef Wagner stirbt nach einem Nervenzusammenbruch. Die Amerikaner hält niemand mehr auf. Am 16. März sind sie schon durch und an Dorweiler vorbei gezogen und stehen am Rhein.  
 
*  
 
Auch die Ostfront bröckelt unaufhörlich. Die Rote Armee ist auf dem Vormarsch. Hitler befiehlt Generalfeldmarschall Schörner, die Südfront bis zum letzten Mann zu verteidigen. Der sangesfreudige Vorkriegs-Nerother German Moskopp, Sohn des Dorweilerer Dorfschullehrers, ist als kühner Flieger zu Schörners Geleitschutz abkommandiert. Am 8. Mai stehen die Russen in der Tschechei vor Königgrätz. Dort gegenüber stehen die Flieger des Geleitschutzes. Nur vom General selber ist an diesem Tag nichts mehr zu sehen. Er hat sich in der Nacht abgesetzt.  
 
Auch German weiß, die Heimat ist nicht weit - für jemanden, der jetzt ein Flugzeug hat. Was hält ihn? Die SS natürlich. Des Führers eifrige Helfer mit dem Totenkopf-Abzeichen ahnen die Gedanken der Piloten und bewachen die Flugzeuge. Jetzt heißt es handeln. Die Flieger ziehen kurzentschlossen ihre Pistolen und erzwingen so ihren Abflug. Die kleinen Maschinen sind schon in der Luft, da bleibt German nur noch eine ME 109. In Bedrängnis wirft er mit dem Fuß den Propeller an, während er mit der Hand in der Kanzel Gas gibt. Die Maschine rollt. Abheben, nix wie weg, hunsrückwärts!  
 
Mit dem Sprit könnte er bis Paris kommen. Die Tage sind zwar lang im Mai. Aber es ist halb neun abends. Und landen kann er nur im Hellen. Sobald es dunkel wird, will er abspringen. Über dem Bayrischen Wald wirft er einen Zusatztank mit 300 Liter Benzin ab. Das macht die Maschine nochmal um 30 Stundenkilometer schneller. Um halb zehn dreht er eine tiefe Runde über Dorweiler. Er sucht in der tälerzerschnittenen Umgebung nach geeigneter Landefläche. Hier auf der „Regge“ könnte es gehen. Gas weg. Bauchlandung. Wupp, wupp, bei eingezogenem Fahrwerk schrappt das Flugzeug über die Grasnabe. Das Ding will immer wieder hoch, bis es endlich nur noch rutscht. German sieht zwei Apfelbäume mit zweihundert Stundenkilometer auf sich zu kommen. Mitten durch. Gerade so. Das Wrack dreht sich um 180 Grad und bleibt liegen. Es riecht nach Kerosin. Zündung aus und nix wie raus, bevor was explodiert. Die Kanzel klemmt. Hätte er sie bloß vorher abgeworfen! Es bleibt nur noch ein kleines Seitenfensterchen. Er ist eben nicht nur jung und verwegen, sondern auch gerade noch dünn genug, um diese Flucht zu überleben.  
 
Zu Hause waren seine Schwestern Gisela und Marie Luise Moskopp schon schlafen gegangen, als sie von Dorweilerern, die German mittlerweile begleiten, johlend geweckt werden. Groß ist die Freude in der Familie des Dorfschullehrers.  
 
Der Anfang nach 1945  
 
Der Krieg war aus. Und nach den Amerikanern kamen die Franzosen. Die Waldeck war verwüstet. Im Säulenhaus ist kein Fenster mehr heil. Mobiliar und Fußböden von marodierenden Hitlerjugendgrüppchen verbrannt. Unter dem eingestürzten Dach hausen Fledermäuse. Wannen, Becken und Türen sind gestohlen oder ganz legal verhökert von den zwangsverwaltenden Nazis. In der „Baracke“ (das spätere „Mohrihaus“) haust noch ein Schäfer mit Hunden, ein seltsamer, übriggebliebener Mieter der Nazis, der nicht daran denkt, auszuziehen.  
 
Karl Mohri, Hilde Göring und Fred Euler richten sich als kleine Wohngemeinschaft provisorisch im „Säulenhaus“ ein und machen sich an die Instandsetzung. Auch der befreundete Nachbar Jolle Richter von der Weitscheid hilft zuweilen. Und auch „alte Freunde“ kommen immer öfter am Wochenende von weiter her an ihren „Ort der Mitte“.  
 
Es ist die Zeit der kleinen selbstgebastelten Annehmlichkeiten. Jolle wird sich später erinnern, wie er von Fred bei einer Schwarzschlachtung eine Leberwurst als „Schweigegeld“ erpresste und wie er sich aus Germans Flugzeugtrümmern Aluminiumrohre zum Schnapsbrennen ausbaute. Das scharfe Gesöff steuerte er zu fröhlichen Sangesabenden bei und bekam von Mohri im Gegenzug auch schon mal eine Tüte Tabak, den dieser an der sonnigen Ruine anpflanzte. Als Karl dem Jolle einmal eine ganze Kiste Tabak schenkte, war diese Großzügigkeit dem verwunderten Freund denn doch verdächtig. Zu Recht, denn die Katze hatte reingepisst.  
 
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Auch die Dörfler profitieren von Karls vielseitigen musischen Talenten. Mit ihm entsteht eine Theatergruppe, und es wird viel gemeinsam gesungen. Den schönen Moskopp-Töchtern soll Karl Gitarre-Unterricht geben. Das bleibt nicht ohne Folgen.  
 
Dann will die Dorfjugend nach all den entbehrungsreichen Jahren mal wieder richtig tanzen, auch wenn die Franzosen solche Vergnüglichkeiten noch streng verbieten. Also heimlich auf die Waldeck! An „Peter und Paul“ 1945 wird das Sälchen geschmückt. Der Schieber-Jupp, der Jersch-Willi und Karl Mohri spielen Zieharmonika und Gitarre.  
 
Zum Friedhof oberhalb des Dorfes wird eine Klingelleitung gelegt, denn einer soll dort Wache halten und Alarm schlagen, falls Franzosen aufkreuzen. Diese tauchen auf, als der Wächter gerade eingeschlafen war.  
 
Sie umstellen das Säulenhaus und wollen die ganze Tanzgesellschaftzusammentreiben. Viele flüchten den Hang hinunter. Bei kleinen Handgreiflichkeiten fallen Warnschüsse. Der Theatergruppenleiter Erich Etzkorn und Toni Neumann, sein Kassierer, werden als Veranstalter mit nach Kastellaun genommen, eingebuchtet und verhört. Mit einem blauen Auge kommen sie nach einer Woche wieder frei.  
 
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Gisela Moskopp verliebt sich derweil, ihr ahnt es schon, in ihren Gitarrelehrer und dieser, ihr wißt es schon, in sie. Vater Moskopp bekommt Zweifel, ob seine Idee mit dem lebenslustigen Gitarrelehrer so gut war. Er schickt seine Tochter in die Töpferlehre weit weg in den Westerwald. Und wähnt sie da auch immer an sicherem Ort, derweil sie am Wochenende die Mosel hochkommt, um Karl zu treffen, heimlich - dort unten in dem Heckenwerk der Burg, die in diesen Monaten langsam wieder aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht.  
 
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Die versprengten Wandervögel trudeln ein. Das Horridoh ist groß, bei jedem, der überlebt hat. Wiedersehensfeste mit viel Schramm-Schramm und Strömen von Wein. Und da traut sich doch auch schon mal so ein „Kamerad“ aus alten Zeiten auf die Burg, der ab ‘33 Karriere machte und als Denunziant so manchen Wandervogel ins Gefängnis oder in noch größeres Unheil stürzte. Wenn so einer auftaucht, fliegen die Fetzen und er muss einsehen, dass es für seinesgleichen auf dieser Burg keinen Platz mehr geben wird.  
 
Alte Wurzeln -neue Ziele  
 
Und dann, so im Jahre ‘48, ist mal genug gefeiert. Währungsreform. Die Waldecker besinnen sich auf ihre Aufgaben, die ihnen das Erbe stellt. Und da muß so manche Nuss geknackt werden. Auf der Burg lasteten aus Vorkriegszeiten 20.000 Mark Schulden. Das Vermögen war noch blockiert, weil der Bund seinerzeit von den Nazis als staatsfeindlich erklärt und sein Eigentum von der Gestapo zwangsverwaltet wurde. Ende 1948 anhaltende Blockierung und Sequesterverwaltung. Ein gefährlicher Schwebezustand. Der Wiederaufbau kostet nicht nur Kraft, sondern auch Geld. Private Kriegsgewinnler und Banken in Berlin und im Hunsrück lauern wie Haie und haben bereits tückische Maßnahmen eingeleitet, um sich in dieser Notsituation das schöne und weitläufige Gelände samt Gebäuden für’n Appel und’n Ei unter den Nagel zu reißen.  
Da heißt es alle Kräfte und Intelligenz sammeln, taktieren und Geld auftreiben. Ärmel aufkrempeln und zupacken. Man entschließt sich, die letzte juristische Form vor dem Krieg wieder aufleben zu lassen, nämlich die „Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck e.V.“, in die Robert Oelbermann den „Bund zur Errichtung der Rheinischen Jugendburg“ 1934 überführte. Und deren Vorsitzender er zuletzt war.  
 
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Noch flackern Petroleumlampen Licht in die provisorische Wohnstatt auf der Waldeck. Auch auf dem Hoffmannshof und bei Jolle auf der Weitscheid. Letzterer hat einen Bruder in Hamburg, der Kupferdraht besorgen kann. Die Männer hauen Strommasten aus frischem Holz und spannen eine Stromleitung vom Dorf über die Weitscheid nach dem Säulenhaus. Lichtfest wird gefeiert am 10. Oktober 1948.  
 
Zu diesem Tag lädt Karl Mohri zur Gründungsversammlung des reaktivierten Vereins „Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck„ auf die Burg. Sechzig Kumpane aus alten Zeiten kommen zusammen. Mit dabei sind Afrikafahrer und Weltfahrer, neue Freunde und, ganz exotisch, auch Frauen mit Nagellack und Wimperntusche. Nur Karl Oelbermann fehlt. Er will noch in Afrika bleiben, um Geld zu verdienen.  
 
Es gibt viel zu erzählen in diesen Tagen. Unglaubliche Kriegsschicksale treffen zusammen.  
Diskussionen: Wie soll es weitergehen? Eine neue Satzung spiegelt neue Ziele wider. Nicht mehr der Aufbau einer monumentalen Jugendburg ist oberstes Ziel. Elitedenken und Führerhierarchie weichen demokratischen und weltoffenen Strukturen im Sinn der alten neuen Waldeckgemeinschaft. Die Burg soll fürderhin der Jugend in ihren vielfältigen Erscheinungsformen dienen und eine offene Heimstatt werden, musische Aktivitäten und Völkerverständigung sollen gefördert werden. Hannes Böhmer wird zum ersten Präsidenten gewählt. Die Gemeinnützigkeit wird anerkannt.  
 
Und nach all den Formalien, verbunden mit mühseligem Klinkenputzen bei allen möglichen Behörden und beim Französischen Gouverneur, wird wieder gefeiert. Anlässe gibt es genug. Zum Beispiel legt die RWE eine offizielle Stromleitung, und das Kupfer bringt überraschend viel dringend benötigtes Geld.  
 
Und dann gibt es binnen einem Jahr zwei Hochzeiten im Sälchen. German Moskopps junge Schwestern Marie Luise und Gisela heiraten. Die eine Hannes Bolland und die andere Karl Mohri, den Meister aller Musen, wen sonst ?  
 
Hotte
08.12.2023 - 18:04:25

Aus: Köpfchen - Ausblicke Einblicke Rückblicke  
Mitteilungsblatt der  
Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck e.V.  
3+4 / 2000 - Feb. 2001  
Seite 27  
 
Nerother in Südafrika  
 
Von Holger Hannes wurde dem KÖPFCHEN der Nachruf auf den im November in Südafrika im biblischen Alter von 89 Jahren verstorbenen Nerother Hannes Arrenbrecht zugeschickt. Holger Hannes ist der Gründer und Bundesführer des Jugendbundes „Wandervogel - Bund für Jugendfahrten“. Der Nachruf wurde schon in anderen bündischen Blättern veröffentlicht bzw. erwähnt (Idee und Bewegung, Buschtrommel).  
Das KÖPFCHEN gibt den Text auszugsweise wieder, obwohl aus dem heutigen ABW-Kreis kaum jemand mehr Verbindung zur Arrenbrecht hatte. Der Nachruf gibt jedoch Anlass zur Erinnerung an ein Stück Waldeck-Geschichte sowie an etliche Teilnehmer der Afrikafahrt, die später in der ABW wichtige Rollen spielten und die doch einigen noch im Gedächtnis sind oder durch diese Zeilen wieder ins Gedächtnis geholt werden. Falls mal eine Geschichte der bündischen Waldeck erarbeitet wird, wird das Kapitel „Drittes Reich“ den Flucht- und Emigrantenschicksalen besondere Aufmerksamkeit widmen müssen.  
Der im Nachruf erwähnten Südafrika-Fahrtengruppe, die 1934 aus Deutschland aufbrach, gehörten auch die späteren ABW-Mitglieder Karl Henrich, Walter Kesper, Willi Knoob, Karl Mohri, Horst Siebert (der „Alte“) und Otto Wenzel an. Im britischen Internierungslager trafen sie dann während des Krieges auf die Freunde Hannes Bolland und Hanns Peters, die auf anderem Weg nach Afrika gekommen waren.  
Im Prozess um die Eigentumsrechte am Waldeck-Gelände (1958 - 1978) waren die Zeugenaussagen dieser Mitglieder mit persönlichen Erinnerungen an die Zeit bis 1934 äußerst wichtig. Sie konnten - neben anderen - die vielfältige Kontinuität zwischen ABW alt (1934/35) und ABW neu (nach 1948) aus eigenem Erleben vor Gericht bestätigen. Alle gehörten bis zu ihrem Tode der ABW an.  
Von Wolf Kaiser, dem späteren Sprecher der Nerother in Afrika, wurden die Fahrtenbücher der Afrika-Fahrer dem Archiv der ABW vermacht, wo sie neben den ebenfalls von Kaiser stammenden Fahrtenbüchern der Nerother-Weltfahrer (1931-1933) aufbewahrt werden.  
Wer sich über den von Holger Hannes geführten Bund, der sich Anfang der Neunziger Jahre vom Nerother Wandervogel (unser Nachbar) abspaltete, informieren möchte, sei auf die gut gemachte Homepage verwiesen: www.wandervogel.org  
 
molo
08.12.2023 - 19:46:28

Aus: Köpfchen - Ausblicke Einblicke Rückblicke  
Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck e.V.  
4/07 Februar 2008  
 
Hai & Topsy  
 
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Er umriss Leben und Bedeutung von Hai & Topsy und betonte die enge Beziehung von Hai Frankl zu Wiesbaden, dessen Elternhaus in Wiesbaden gestanden hatte, der dort zur Schule gegangen war und sich dort einer Gruppe des Nerother Wandervogel angeschlossen hatte. Nachdem es in den dreißiger Jahren, vor allem nach den Pogromen und dem Anschluss Oesterreichs für Bürger jüdischer Herkunft in Deutschland immer gefährlicher geworden war, gelang es dem Neunzehnjährigen 1939 mit Hilfe seiner Nerother Freunde und der Quäker – sein Vater war Quäker – mit knapper Not, der Verfolgung zu entkommen. Drei Tage vor Kriegsausbruch konnte er nach Schweden emigrieren. Alle Versuche, seine Eltern Erich und Elli Frankl ebenfalls zu retten, waren hingegen vergeblich. Sie wurden 1942 zusammen mit 369 anderen jüdischen Wiesbadenern ins KZ deportiert. Ihr Sohn hat nie wieder etwas von ihnen gehört.  
 
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Seite 19 Fußnote 5)  
 
Anne Bolland-Brück ist eine der beiden Töchter von Marie Luise und Hannes Bolland, die bis zu ihrem Tod mit Hai und Topsy eng befreundet und ebenfalls Mitglieder der ABW gewesen sind. Diese Freundschaft ging zurück auf die gemeinsame Zeit von Heinrich Frankl und Hannes Bolland beim Nerother Wandervogel vor dem Krieg.
08.12.2023 - 20:10:51

Aus: Köpfchen - Ausblicke Einblicke Rückblicke  
Mitteilungsblatt der  
Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck e.V.  
2/2003 Juni 2003  
S. 20 ff.  
 
Ausstellung Marie Luise Bolland  
 
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Heirat und Familie  
 
Während ihrer Gesellenzeit in Boppard lief sie oft am Samstagnachmittag zu Fuß in den Hunsrück nach Hause. Der Heimweg ins Dorf führte an Burg Waldeck vorbei, so dass der Kontakt mit den „Bündischen“ nie wirklich abbrach. Dabei lernte sie Hannes Bolland kennen, einen Innenarchitekten. Nach der Heirat und der Geburt der ersten Tochter, Michaela, zogen sie aus beruflichen Gründen von Koblenz nach Düsseldorf. Dort arbeitete Marie Luise Bolland auch während der Kinder-Erziehungszeiten immer ein wenig, zumeist für Freunde.  
 
Düsseldorf  
 
Durch die Mitgliedschaft ihres Mannes im Deutschen Werkbund und dem Düsseldorfer Kunstverein ergaben sich im Laufe der Zeit viele gesellschaftliche Kontakte, die auch Einfluss auf ihre berufliche Qualifizierung hatten. Anfang der sechziger Jahre wurde aus der Werkstatt-Ecke im Esszimmer ein kleines Werkstatt-Zimmerchen im Dachgeschoss, und Marie Luise Bolland begann wieder kontinuierlich zu arbeiten, oft abends nach zwanzig Uhr. Bis in die Siebziger hinein band sie hunderte von Zeitschriften-Jahrgänge für Firmen, Rechtsanwälte und Ärzte, alles ohne elektrische oder automatisierende Geräte. Sie nannte das immer „Brotarbeit“. Ab und zu kamen auch mal schöne Aufträge rein, die ihr den Beruf dann wieder  
schmackhaft machten.  
 
Bauhaus  
 
Ihr Mann, Hannes Bolland, war vermutlich ihr kritischster Förderer im Hinblick auf Buchgestaltung. Seine Ausbildung absolvierte er unter anderem an der Wuppertaler und Stuttgarter Werkkunstschule, die ihm besonders die Ideen des Bauhaus nahebrachte. Dieser Prämisse ordnete sich nicht nur das berufliche, sondern überhaupt das ganze Leben unter.  
Form gleich Inhalt und Inhalt gleich Form. So kam es oft zu Diskussionen über die jeweiligen Gestaltungsmöglichkeiten auf allen Ebenen, die immer auch einen produktiven Prozess für Marie Luise Bolland, speziell in ihrem Beruf, darstellten.  
 
Burgen  
 
1975 erwarben die Bollands ein altes Haus in Burgen/Mosel, das sie sich für ihre Bedürfnisse umbauten. Endlich  
bekam Marie Luise Bolland eine Werkstatt, die ihr mehr Möglichkeiten eröffnete, zumal sie jetzt Zeit investieren konnte, seitdem die Kinder eigene Wege gingen. Auch der Waldecker Freundeskreis spielte nach der Umsiedlung wieder eine größere Rolle, vermutlich durch die größere räumliche Nähe. Als Gründungsmitglieder der Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck nach dem Krieg waren sie dort allerdings kontinuierlich engagiert gewesen und hatten stets engen Kontakt gehalten.  
 
Die eigene Handschrift  
 
Nach dem Tod ihres Gatten 1981 konzentrierte sich Marie Luise Bolland ganz auf die Hand-Buchbinderei und erarbeitete sich einen freieren Stil in der Gestaltung ihrer Projekte. Neben vielen sachgemäß restaurierten Inkunabeln (auch eine Art „Brotarbeit“) entstanden in dieser Zeit Einbände von großer Originalität.  
 
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08.12.2023 - 22:57:15