Fünf Briefe meines Vaters | 3
Am 2.6.54
es ist wohl an der Zeit, daß ich deine letzten Äußerungen, die Du so vortrefflich mit der Maschine zu Papier gebracht hast, mit einer Antwort versehe.
Zunächst scheint Dir ja nichts mehr zu fehlen. Du darfst jetzt aus dem Brunnen des Wissens mit großen Eimern schöpfen. Nur besauf Dich nicht. Wenn Du aus diesem Rausch wieder aufwachst, ist es grausig.
Aber es ist bei Dir wohl kaum eine Gefahr. Denn Du scheinst eine recht praktische, realistische Ader zu haben. Das entnehme ich aus der Bemerkung über Deine, leider nur sehr kleinen, Geschäfte in Kreuznach. Jedenfalls hast Du es Dir nicht verkneifen können, mit der Ille noch einmal einen 'Seitensprung' zu machen. Ist es Dir nicht geglückt? Armes Schwein! Mit den Breithardtern ist es wirklich ein Kreuz. Und ich will Dir einmal in aller Offenheit sagen, wie ich die Lage betrachte.
Die Olschewsky ist nicht fähig den Betrieb vernünftig zu führen. Es herscht bei aller sonstigen Not ein eigenartiger Luxus dort. Ein rechter Mann täte dort wohl not. Aber die beiden lieben einander so unsinnig, daß es zu einer guten Lösung nicht kommen kann. Es tut mir wirklich recht leid um Marlene. Nur hat es keinen Zweck dort eine Meinung zu äußern.
Damit wäre ich bei dem 'damaligen Auftreten' von mir. Ich weiß nicht was ich damals verbrochen habe. Gewiß, ich habe der Frl. Olschewsky manchmal deutlich zu verstehen gegeben was ich von ihr halte. Ich kann sie nicht achten.
Vater habe ich kürzlich geschrieben. Hoffentlich antwortet er wenigstens.
Vor zwei Wochen haben mich die Hagener eingeladen gehabt. Es war sehr schön. Die Omi läßt dich grüßen. Auch Renate und Brigitte natürlich.
Nun weiß ich aber garnichts mehr, was ich Dir schreiben sollte.
Leb' wohl!
Dein Axel
06.11.2023 - 20:29:58