Fünf Briefe meines Vaters | 11

Am 20.11.55  
 
Mein lieber U.,  
 
Du hast mir eine große Freude bereitet. Vor allem daher, weil mir dann jedesmal wieder einfällt, daß ich fast nie an die Geburtstage meiner Brüder denke. Oder besser, ich denke immer eine Zeit lang vorher daran, und vergeße es im rechten Augenblick zu schreiben.  
Am Freitag lag ein ganzer Haufen Post bei mir. Die Omi hat auch geschrieben. Diese treue Seele vergißt nie so etwas.  
Und die Gifhorner schickten ein Telegramm. Nach der Zeit der Aufgabe zu schließen, ist unserem Vater während des Mittagessens das besondere des Tages zum Bewußtsein gekommen.  
Und auf der Post lagert noch ein Paket unbekannter Herkunft. Das hole ich mir nach dem Mittagessen.  
Gestern abend hatte ich einige Freunde eingeladen. Wir haben recht viel Freude gekriegt. Auch heute erwarte ich noch Besuch. Er läßt nur lange auf sich warten. Kann es sich auch leisten. Es handelt sich um eine sehr liebe und werte Freundin.  
Deinen letzten Brief habe ich wohl bekommen. Ich habe ihn auch bereits beantwortet. Nur konnte ich aus meinem Gedächtnis beim besten Willen Deine Anschrift nicht finden. Und Deine seltsame Schreibschrift ist manchmal nicht entzifferbar. Was bei Deiner Klaue noch erschwert wird. Wollest Du Dir doch bitte angewöhnen, bei einem Handschrift-Brief die Anschrift, die Du als fortschritlicher Mensch stets an den Kopf des Briefes setzt, mit DRUCKSCHRIFT zu schreiben.  
Jedenfalls kam der Brief also zurück. Jetzt allerdings werde ich mir die Anschrift des hervorragendsten Vertreters unserer Familie in meinem Adressheft eintragen.  
 
Mein Schulanfang ist nun auf den März festgelegt. Nähere Einzelheiten sind noch nicht fest.  
Weihnachten würde ich recht gern hier bleiben oder nach Weinheim (?) fahren. Letzteres wäre wohl das Gescheiteste. Ich hoffe nur, daß die Ol. nicht dort sein wird. Oder nur kurz. Und Neujahr zum Vater schaffe ich nicht. Ich bin recht im Druck im Augenblick. Bis Weihnachten möchte gern die Schulden los sein.  
 
Außerdem wird es bei mir mit der Zeit recht gemütlich. Ich habe mir zum Geburtstag einen großen Druck vom KLEE geschenkt. Vielleicht kannst Du Dir einiges drunter vorstellen.  
 
Wie geht es Dir nun? Besser?  
 
Marlene werde ich auch heute noch schreiben. Ich könnte am 24. oder auch bereits am 23. fahren. Es wäre schön, wenn wir in Frankfurt uns treffen könnten.  
Den zurückgekommenen Brief schicke ich mit. Ich bin zu faul ihn noch mal durchzulesen. Was doppelt steht kannst Du ohne Mühe weglassen.  
 
Leb' wohl und wöhler.  
 
Dein Axel
07.11.2023 - 21:46:17