Fünf Briefe meines Vaters | 10
Am 7.11.55
Lieber Bruder,
armes Schweinchen!
Über Deinen, nach so langer Zeit völlig überraschend wirkenden Brief, habe ich mich sehr gefreut. Da Du mit der Hand schreibst, scheint ja bald alles wieder gut zu sein. Oder war es nicht die Hand. Mußt Du noch einen Gipsverband mit Dir herumtragen?
Jedenfalls freue ich mich, daß Du noch unter uns Lebenden weilst.
Mir geht es nach wie vor glänzend. Ich fühle mich nach der 'Erholung im Krankenhaus' recht wohl.
Bis Weihnachten habe ich mächtig zu tun um das Loch im Geldbeutel wieder zu füllen.
Und dann soll es im März auf die Schule gehen.
Schreibt Vater nicht mal irgendwas über Zuhause? Oder die Schule?
Mir hat sie im Anfang Oktober noch mal geschrieben.
Es ist von mir auch nichts besonderes oder Neues zu berichten.
Nur die Arbeit hängt mir bald zum Hals heraus. Trotz Lohnerhöhung. Aber mit dem Geld, das man verdient kann man sich einiges von dem leisten, was man lieber tut als arbeiten.
Den Zusatz 'Stud. jur.' zu Deiner Adresse, hatte ich auf den Gießener Brief gesetzt, weil durch die Schilderung der Zustände im Krankenhaus, ich mir eingebildet hatte, es könne zur schnelleren Ausfindigmachung deiner Person, bei der Zustellung des Briefes, dienen.
In Zukunft will ich gern darauf verzichten.
Dem 'Konservenhändler' habe ich die aufgetragenen Grüße überbracht. Er wünscht Dir gute Besserung.
Aus welchem besonderen Grunde unterstreichst Du die Bezeichnung 'FRAU' Olschewsky'
Wie geht es den beiden? Sie lassen auch wenig hören.
Großvatern habe ich zum Geburtstag geschrieben. Was er prompt mit der gewohnten kurzen Karte beantwortete. Ich würde ihn gern Weihnachten mit Dir zusammen besuchen.
??? Bleib munter und sieh zu, daß Du wieder auf die Beine kommst,
Dein Axel.
07.11.2023 - 21:02:17