Fünf Briefe meines Vaters | 1
Am 14.3.1954
Lieber U.
Ganz schnell, in aller Eile, will ich Dir einen kurzen Gruss schreiben. Ich bin eben dabei meine sämtlichen Zeugnisse abzuschreiben. Zu diesem Zwecke habe ich mir eine Schreibmaschine geliehen, wie Du siehst?
Ich bin nämlich auf dem Sprung in die grosse Stadt Düsseldorf. Von dort habe ich ein großzügiges Angebot des Arbeitsamtes erhalten. Durch Beziehungen, anders ist soetwas heute ja nicht mehr möglich, habe ich Verbindungen zu dem Vermittler des Düsseldorfer Arbeitsamts bekommen. Dieser Mann will mich nun innerhalb kürzester Zeit in einen Betrieb vermitteln wie ich ihn suche. Obgleich ich noch leicht skeptisch bin, will ich diese Möglichkeit doch wenigstens ausprobieren. Es kann ja nicht mehr als schiefgehen. Und wenn es nicht schief geht, kann ich mir immer mit Stolz auf die Brust schlagen: Seht, ich bin ein ganz famoser Kerl!
Wie steht es mit Dir? Willst Du noch länger in dem verhassten Hannover bleiben. Mir scheint, dass Du Dich mit der Zeit doch recht wohl dort fühlst. Oder täusche ich mich da? Vielleicht nimmst Du diesen Brief zum Anlass, und schreibst mir einmal.
Neulich habe ich die Ille in Wiesbaden besucht. Sie ist noch immer der selbe kleine Wonneproppen. Und erst recht die werten Eltern. Dabei fällt mir ein, dass der Herr Professor mir auftrug, Dir recht herzliche Grüsse auszurichten. Als ich ihm erzählte, dass Du in Giessen studieren willst, trug er mir ausserdem auf, Dir den Namen eines der Giessener Professoren mitzuteilen, den er gut kennte. Das schlimme ist nur das, dass mir eben im Augenblick der Name nicht einfallen will. Es ist der dortige Bodenkundler. Ein Name mit U.
Ich kann ihn jetzt fürs Verrecken nicht finden
Sobald ich ihn wieder habe schreibe ich gleich.
Herzlichen Gruss
Dein Axel
06.11.2023 - 20:03:46